Geschäftsleitende Handlungen des Vorstands einer AG sind danach erst bei Überschreitung des ihm durch § 76 Abs. 1, § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG eingeräumten weiten unternehmerischen Ermessensspielraums und bei Verletzung einer Hauptpflicht gegenüber dem zu betreuenden Gesellschaftsvermögen als pflichtwidrig anzusehen.
Das OLG Düsseldorf hatte darüber zu befinden, ob eine untreuerelevante Handlung vorliegt, wenn durch den alleinigen Vorstand einer AG Mitarbeitern der Stadtverwaltung, einem öffentlich bestellten Vermessungsingenieur und zwei Mitarbeitern der Staatskanzlei Weihnachtsgeschenke im Wert zwischen 60,66 € und 324, 87 € jährlich zugewendet und so der AG entsprechende Vermögensnachteile zugefügt werden, um eine „Atmosphäre der Geneigtheit“ zu schaffen.
Im Ergebnis sah das Oberlandesgericht weder den Vorwurf der Vorteilsgewährung gemäß § 333 Abs. 1 StGB noch den Vorwurf der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB als gegeben.
Hiernach ist bei Beurteilung der Frage, ob der Vorstand mit unentgeltlichen Zuwendungen an Dritte seine Pflichten verletzt, zu berücksichtigen, dass sich der Zweck der AG als Wirtschaftsunternehmen nicht auf kurzfristige Gewinnmaximierung beschränkt, sondern die Interessen der Aktionäre, der Arbeitnehmer, der Kunden und Lieferanten und sogar der Öffentlichkeit einschließt („good corporate citizen“). Dem Vorstand kommt somit die Aufgabe einer Interessenabwägung zu, die ihre Grenze erst an der dauerhaften Erhaltung der Rentabilität des Unternehmens findet.
Für die Praxis lässt sich festhalten, dass es mit den Verhaltenspflichten des Vorstands als eines ordentlichen Geschäftsleiters grundsätzlich vereinbar ist, wenn er unentgeltliche Zuwendungen mit dem Ziel ausreicht, die soziale Akzeptanz der AG und dadurch indirekt ihr wirtschaftliches Fortkommen zu verbessern. Die Entscheidung darüber liegt nach der Entscheidung des OLG Düsseldorf im Leitungsermessen des Vorstands. Sie ist in der Regel nicht zu beanstanden, wenn die Zuwendung „innerbetrieblich offengelegt wird, vom Unternehmensgegenstand gedeckt ist und ihr Umfang der Wirtschafts- und Ertragslage des Unternehmens entspricht“. Die Entscheidung des OLG Düsseldorf liegt damit auf einer Linie mit der Rechtsprechung des 1. Strafsenats des BGH zur Spendenpraxis in einer Aktiengesellschaft, wonach bei Beurteilung einer Pflichtverletzung als „gravierend“ gemäß § 266 Abs. 1 StGB insbesondere auch die „innerbetriebliche Transparenz“ zu berücksichtigen ist.
Brehm & v. Moers
Rechtsanwalt Tobias Dössinger
Strafrecht Wirtschaftsstrafrecht Steuerstrafrecht
München