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Ein Beitrag von Dr. Matthias Grundmann, BvM München

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Entscheidung

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Die urheberrechtlichen Vorschriften der InfoSoc-Richtlinie (2001/29/EG) schützen nicht den Geschmack eines Lebensmittels. Nationale Rechtsvorschriften sind entsprechend auszulegen. Das hat der EuGH Mitte November entschieden (EuGH (Große Kammer), Urteil vom 13.11. 2018 - C-310/17).

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Hintergrund

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Der niederländische Gemüse- und Frischproduktehändler Levola ließ sich 2011 die Rechte am geistigen Eigentum an einen Streichkäse mit Crème fraîche und Kräutern (Heksenkaas) übertragen. 2012 wurde für das Verfahren zur Herstellung von Heksenkaas ein Patent erteilt. 2014 brachte Wettbewerber Smilde das vergleichbare Erzeugnis Witte Wievenkaas auf den niederländischen Markt.

Eine Verletzung der Urheberrechte am „Geschmack“? Zu diesem Ergebnis kam Levola und erhob Klage bei der Rechtbank Gelderland (Gericht Gelderland, Niederlande) mit dem Antrag festzustellen, dass der Heksenkaas-Geschmack eine eigene geistige Schöpfung sei (und damit ein Werk im Sinne von Art. 1 der Auteurswet – Urhebergesetz, Niederlande) und der Witte-Wievenkaas-Geschmack eine unzulässige Vervielfältigung darstelle.

Die Rechtbank ließ die Frage dahinstehen. Der Vortrag der Klägerin sei jedenfalls nicht ausreichend, da sie nicht angegeben habe, welche Bestandteile oder Kombination von Bestandteilen des Geschmacks des Heksenkaas diesem einen eigenen, durch Originalität geprägten Charakter und einen persönlichen Stempel verliehen.

Das Rechtsmittelgericht hielt es jedoch für geboten, die Frage nach der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit des Geschmacks eines Lebensmittels zu beantworten. In ihrer Anspruchsbegründung erläuterte Levola, dass das Urheberrecht den „gesamten durch Verzehr eines Lebensmittels hervorgerufenen Eindruck auf die Geschmackssinne einschließlich des mit dem Tastsinn wahrgenommenen Gefühls“ schütze. Bestärkt fühlte sich Levola u.a. durch das Urteil des Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) vom 16. Juni 2006 in Sachen Tresor II (ECLI:NL:HR:2006:AU8940), in dem es grundsätzlich die Möglichkeit anerkannt habe, ein Urheberrecht am Geruch eines Parfums zuzuerkennen.

Die Gegenseite (Smilde) hielt naturgemäß dagegen. Der Schutz eines Geschmacks sei nicht mit dem System des Urheberrechts vereinbar. Dieses erfasse nur Schöpfungen, die optisch oder akustisch wahrgenommen werden könnten. Außerdem stünden die Verderblichkeit eines Lebensmittels und der subjektive Charakter der Geschmackserfahrung der Werkeigenschaft entgegen. Zuletzt seien die Ausschließlichkeitsrechte des Urhebers eines Werks des geistigen Eigentums und die gesetzlichen Beschränkungen dieser Rechte auf Geschmäcker praktisch nicht anwendbar.

Der Gerechtshof Arnhem-Leeuwarden (Berufungsgericht Arnhem-Leeuwarden, Niederlande) stellte nun fest, dass – abweichend vom Oberstern Gerichtshof der Niederlande (s.o.) - die Cour de cassation (Kassationsgerichtshof, Frankreich) die Möglichkeit eines urheberrechtlichen Schutzes eines Geruchs u. a. in ihrem Urteil vom 10. Dezember 2013 (ECLI:FR:CCASS:2013:CO01205) kategorisch ausgeschlossen habe. Damit, so das Berufungsgericht, gehe die Rechtsprechung der nationalen Obergerichte in der Europäischen Union bezüglich der Geschmacks-Werk-Frage auseinander. Daraufhin hat das Berufungsgericht das Verfahren ausgesetzt und den EuGH im Wesentlichen gefragt, ob die urheberrechtlichen Vorschriften der InfoSoc-Richtlinie (2001/29/EG) den Geschmack eines Lebensmittels schützen und nationale Rechtsvorschriften entsprechend auszulegen seien.

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Begründung der Entscheidung

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Nein, urteilt der EuGH. Art. 2 bis 4 der Richtlinie bestimmten zwar, dass die Mitgliedstaaten ausschließliche Rechte für die Urheber in Bezug auf ihre „Werke“ vorsehen, für die Bestimmung des Werkbegriffs werde hingegen nicht auf das Recht der Mitgliedstaaten verwiesen. Diese Regelungslücke sei mit Blick auf die Erfordernisse der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts und des Gleichheitssatzes durch einen einheitlichen Werkbegriff zu schließen.

Gibt es einen unionsrechtlichen Werkbegriff? Der EuGH bejaht diese Frage und greift im Wesentlichen auf Art. 2 Abs. 1 der Berner Übereinkunft zurück. Zwar sei die Union nicht Vertragspartei, allerdings sei sie dem WIPO-Urheberrechtsvertrag beigetreten. Der bestimme in Art. 1 Abs. 4, dass man sich an Art. 1 bis 21 der Berner Übereinkunft zu halten habe. Und nach Art. 2 Abs. 1 der Berner Übereinkunft umfassten die Werke der Literatur und Kunst alle Erzeugnisse auf dem Gebiet der Literatur, Wissenschaft und Kunst, ohne Rücksicht auf die Art und die Form des Ausdrucks.

Der Werkbegriff der Richtlinie setzt daher eine Ausdrucksform des urheberrechtlichen Schutzobjekts voraus, die mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbar sein müsse. Dafür führt der EuGH auch ganz praktische Gründe an. Wie sollten Behörden, die mit dem Schutz der dem Urheberrecht innewohnenden Ausschließlichkeitsrechte betraut sind, die Schutzobjekte erkennen können? Dasselbe gelte insbesondere für Dritte, die ein geschütztes Objekt erkennen können müssen, um eine Rechtsverletzung vermeiden zu können. Unterm Strich geht es um Rechtssicherheit.

An der Möglichkeit einer präzisen und objektiven Identifizierung fehle es bei dem Geschmack eines Lebensmittels. Literarische, bildnerische, filmische und musikalische Werke beruhten auf einer präzisen und objektiven Ausdrucksform. Der Geschmack hingegen im Wesentlichen auf Empfindungen und Erfahrungen. Diese seien, so der EuGH, subjektiv und veränderlich. Zudem spielten Faktoren, die mit dem Verkoster verbunden sind, eine entscheidende Rolle. So seien für Bewertung Alter, Ernährungsvorlieben, Konsumgewohnheiten, Umwelt und der Kontext, in dem verkostet wird, entscheidend.

Zudem weist der EuGH noch darauf hin, dass bei dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft eine genaue und objektive Identifizierung des Geschmacks eines Lebensmittels, die es erlaubt, ihn vom Geschmack anderer gleichartiger Erzeugnisse zu unterscheiden, mit technischen Mitteln nicht möglich sei.

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Fazit

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Nach dem EuGH ist der Geschmack eines Lebensmittels kein „Werk“ im Sinne der Info-Soc-Richtlinie (2001/29/EG). Dies macht er an zwei Voraussetzungen fest. Es muss sich zum einen um eine eigene geistige Schöpfung handeln. Zum anderen müsse die geistige Schöpfung zum Ausdruck gebracht werden. Am Rande stellt der EuGH noch fest, dass die Ausdrucksform nicht notwendigerweise dauerhaft sein müsse. Der Ausdruck verlange jedoch hinreichende Genauigkeit und Objektivität. Hieran fehle es beim Geschmack.

Im Ergebnis ist dem EuGH zuzustimmen. Nicht ganz klar ist, an was für technische Mittel die Richter gedacht haben, um einen Geschmack vom Geschmack anderer gleichartiger Erzeugnisse zu unterscheiden. Schutz genießt nicht der Geschmacksträger (Mittel), sondern die objektivierbare geschmackliche Erfahrung, die der Geschmacksträger im Moment des Konsums auslöst (Sinneseindruck). Das ist bei den anerkannten Werktypen des Urheberrechts nicht anders: Nicht die Druckerschwärze, das Bild, das Wort ist entscheidend. Möchte man also einen Geschmack mit technischen Mitteln vergleichbar machen, muss die Technik die Wahrnehmung des Verkosters erweitern. Eine interessante Vorstellung.

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Vorinstanzen

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Rechtbank Gelderland (Gericht Gelderland, Niederlande)

Gerechtshof Arnhem-Leeuwarden (Berufungsgericht Arnhem-Leeuwarden, Niederlande)

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